Adoptiert und Schwarz in Weißer Familie

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Dieser Eintrag dreht sich um das Thema „Adoptiert und Schwarz in Weißer Familie“. Ich werde häufiger über den Querschnitt (die Intersektionalität) von Adoption und Schwarzsein in Weißen Familien schreiben, weil es meiner Meinung nach einen eigenen Platz in der gesamten Konversation meines Blogs braucht. Adoption und Schwarzsein sind Themen, die schon alleinstehend viele Facetten haben. Werden sie kombiniert, eröffnen sich nochmal ganz neue Gründe. Ich werde heute als Einstieg einfach ein bisschen von mir als Schwarze Transracial Adoptierte (TRA) schreiben und freue mich, wenn auch andere TRAs einen Beitrag zu diesem Thema (gern auch anonym) veröffentlichen möchten. Ganz kurz vorab: Den Begriff „Adoptivkind“ setze ich nicht in Anführungszeichen, um ihn abzuwerten oder ähnliches. Bei allen Ausdrücken und Sätzen, die ich in Anführungszeichen setze, zitiere ich Menschen, die mich so beschreiben/beschrieben haben.

Ich bin in einer Weißen Familie in der Berliner Vorstadt aufgewachsen – damals und immer noch, der weißeste Ort, den ich kenne. Anders als Schwarzsein, das ich in meiner Kindheit nie richtig verstanden habe, lag adoptiert zu sein für mich schon immer auf Hand. Ich denke, so wirklich deutlich wurde es, als andere Leute angefangen haben, mich als „das Adoptivkind“, „die Adoptivschwester“ und „das andere Kind“ zu bezeichnen. Es war mir immer komisch, wenn ich auf diese Art und Weise geothert wurde.

Obwohl ein großer Teil meiner Familie aus Polen kommt, fingen manche Verwandte und Bekannte dann an, ausschließlich mich exzessiv auf meine „so schön exotische“ Herkunft anzusprechen. Dann haben sie mich auch auf meine Hautfarbe angesprochen, mich mit schokoladigem Essen verglichen und fragten, wann ich denn wieder zurückginge. Den Querschnitt von Schwarzsein und Adoptiertsein habe ich vor allem dann gemerkt.

Viele von ihnen haben das auch so gesagt, als wäre ich hier nur so zu „Gast“ in meiner Familie – wie eine Austauschschülerin, die eine 18 Jahre lange Auslandserfahrung macht.  Sie sagten dann nach einem Urlaub im Ausland: „Da wusste ich auch mal, wie das ist“. Dabei ist für mich der einzige Ort, wo ich mich als Ausländerin sehe, im Ausland – also außerhalb Deutschlands. Manche meiner Familienmitglieder sagen sogar heute noch, dass ich hier nur zum „mitleben versuchen“ bin. Immer mit einem gewissen Unterton, der vermittelt: So richtig hier hingehören tust du ja nu auch nicht.

In meinem Umfeld war ich vor allem das “Adoptivkind aus Afrika”. Viele Menschen haben angefangen, die Charaktereigenschaften, die mich von meinen Geschwistern unterscheiden (oder auch nicht unterscheiden), an meine Hautfarbe zu knüpfen. Mir wurde gesagt, dass ich zum Beispiel sehr gut singen und den Rhythmus halten kann, weil ich das als Schwarze ja „im Blut“ hätte. Dabei sind alle in meiner Familie musikalisch aufgewachsen, haben musikalisches Talent und können den Rhythmus halten.

Da ich Weiß sozialisiert bin, war es für mich sehr schwer, in Schwarzen Räumen Fuß zu fassen und mich mit anderen Schwarzen zu sozialisieren. Mit ungefähr 16 Jahren bin ich an die öffentlichen Orte der Community gegangen, obwohl mir die Black Community als solche noch nicht bekannt war. Ziemlich lange wusste ich nicht, dass es solche Angebote und Räume hier gibt. Auch von den öffentlichen Orten habe ich sogar von meinen Weißen Freund*innen erfahren, weil sie in Berlin all die interkulturellen Orte ausprobierten und ich immer nur in Weißen Räumen war – und auch das Gefühl hatte, dass ich in Schwarzen Räumen nicht sein darf, weil es sich gegen meine Weiße Familie richtet. In den Schwarzen Spaces war ich vielen Menschen aber dann einfach nicht „black enough“, sobald sie wussten, dass meine Familie nicht Schwarz ist, meine Freund*innen fast alle weiß sind und ich vorher auch keine wirkliche Verbindung zu Schwarzen Menschen hatte. Sie meinten, mein Englisch sei „white“, meine Familie und mein Freundeskreis seien „too white“ und ich hätte keine Ahnung von Kultur, Essen und Landessprachen. Auch für sie war ich dann ganz oft die Pseudo–Schwarze, die jetzt irgendwie in ihrer Identitätskrise Anschluss finden will. Das hat dazu geführt, dass ich mich bei Schwarz und Weiß ganz lange zwischen den Stühlen gefühlt habe. Für die eine Seite war ich das Schwarze „Adoptivkind aus Afrika“, das eh irgendwann zurückgeht, weil sie nicht wirklich hier hingehört, und für die andere Seite war ich „not black enough“.

Als Schwarzes Adoptivkind habe ich Othering von allen Seiten erfahren. Ständig und überall. Es hat lange gedauert, dass ich mich halbwegs angenommen habe. Diesen Blog zu schreiben, hätte ich mir vor einem Jahr gar nicht vorstellen können – eigentlich nicht mal vor ein paar Monaten.

Es werden zwei sehr große, facettenreiche Themen verbunden, die man als Transracial Adoptierte irgendwie in sich vereinen muss – und das finde ich super schwer. Es sind oft die kleinen Dinge, an denen ich mich gestoßen habe und stoße: Dass andere Menschen mich und meine Schwester komisch angucken und ungläubig Fragen stellen, wenn wir sagen, dass wir Geschwister sind. Aber auch die großen Dinge, bei denen Mitschüler*innen mich beleidigten, weil ich adoptiert bin, wenn sie nicht gerade dabei sind, eine Beleidigung zu meiner Hautfarbe zu droppen. Adoption und Schwarzsein haben mich in vielerlei Hinsicht einfach zu einer Angriffsfläche gemacht und ich hatte immer das Gefühl, ich müsste mir einen doppelten Schutzanzug überziehen.

Mittlerweile mache ich diesbezüglich immer mehr und mehr mein eigenes Ding. Ich bin „black enough“ für mich, weil ich meine Blackness selbst definiere. Ich sehe mich nicht als Austauschschülerin in meiner Familie, weil ich nicht zu Gast, sondern fester Bestandteil bin. Ich sehe mich nicht als Ausländerin in Deutschland, weil ich hier groß geworden bin und meinen Lebensmittelpunkt bewusst hier gewählt habe. Das ist auch das, worum es für mich in diesem Blog geht: Das eigene Ding, den eigenen Space Bi_PoC zu finden.

Keine Person kann definieren, wie schwarz oder weiß ich bin, wie deutsch oder gambisch, wie senegalesisch oder auch wie polnisch, außer mir. Immer wieder kommen neue Dinge mit der Adoption und dem Schwarzsein zusammen, die irgendwie neu verortet werden müssen. Aber dann verorte ich sie.

Ich werde bezüglich dieses Themas auf jeden Fall noch vieles ansprechen: Vom Umgang mit den eigenen Haaren über den Zugang zur Black Community bis hin zum Kontakt zu den leiblichen Verwandten. Input und Vorschläge, Gedanken und Diskussionen zu diesem und anderen Themen sind wie immer willkommen.