Rassismus im Familien -, Bekannten – und Freund*innenkreis

GERMAN VERSION ONLY

Welcome back!

Heute gibt es einen etwas längeren Eintrag zu einem schwierigen Thema. Auf Instagram habt ihr wieder abgestimmt und alle von euch haben angegeben, dass sie Rassismus schon mal im Familien -, Bekannten – und/oder Freund*innenkreis erlebt haben oder erleben (ich werde sie weiterhin „nahestehende Personen“ nennen). Obwohl ich selbst auch viele Rassismuserfahrungen, vor allem im Freund*innen– und Bekanntenkreis gemacht habe, finde ich es wirklich krass, dass nicht eine Person von euch „Nein“ angeklickt hat.

Was ich immer schwierig finde, ist, dass sich Rassismus und rassistische Aussagen von nahestehenden Personen oft hinter Witzen, Komplimenten oder verniedlichenden Bezeichnungen verbergen, wodurch das Bild vermittelt wird, dass das Gesagte nicht so schlimm sei, weil diese Personen uns ja nicht hassen, wie das Rassisten ihrer Meinung nach so tun, sondern nur Spaß machen. Rassismus wird nur denen zugeordnet, die eine böse, schadende Intention verfolgen. Mit Sätzen wie „Komm, ich darf das“ geben sie sich ein Exklusivrecht auf Bezeichnungen wie „Schokoküsschen“ oder Witze wie „Haha, mit dir können wir aber gut im Dunkeln Verstecken spielen“, um ihre Fehltritte nicht nur für sich, sondern auch für uns moralisch zu rechtfertigen. Erhebt man dagegen die Stimme, kommen schnell verteidigende Sätze, wie „Das hast du falsch verstanden“, „Sei mal nicht gleich so empfindlich“ oder „Ich hab’s ja nicht böse gemeint“. Letzterer Satz wird gern als Todschlagargument gegen das eigene rassistische Verhalten benutzt. Wenn man es nicht böse gemeint hat, kann es uns auch nicht verletzt haben. Also, wenn ich eine Person von euch auf die Schulter boxe, ist euer Schmerz äquivalent zu meiner Intention, wie sehr es wehgetan hat – logisch. Dass das so nicht funktioniert, haben viele von uns schon erkannt. Was also tun?

Ehrlich gesagt, Freund*innen und Bekannte, die rassistische Sprüche machen und denen ihr Spaß daran wichtiger ist als eure Empfindungen damit, sollte man absägen. Ich hatte bis ich 17 war fast ausschließlich solche Freund*innen und ich konnte mich erst von ihnen lösen, als ich neue Freund*innen gefunden und eine enge Beziehung zu diesen aufgebaut hatte. Aber als sie weg waren, ist eine große Last von meinen Schultern gefallen. Vorher war mir nicht bewusst, wie belastend es ist, sich immer in Räumen aufzuhalten, in denen mensch konstant Rassismus erlebt. Also an alle, die solche Freund*innen haben: Ich kann euch nicht sagen, was ihr machen müsst, aber ich kann euch nur raten, sie abzusägen und euch neue zu suchen – sehr befreiend. Mit meinen engen Freund*innen will ich über alles reden können – auch Rassismus und die rassistischen Erfahrungen, die ich mache, ohne dass ich sie zu den Verursachern dieser Erfahrungen zählen muss oder sie diese relativieren.

Bei Familienmitgliedern, vor allem der engen Familie, ist das schon etwas schwieriger, weil ich sie 1) nicht einfach absägen kann und 2) Familienmitglieder fast schon allergisch auf die Konfrontation mit dem eigenen rassistisch sozialisierten Denken reagieren. Rassismus in der Familie ist mir persönlich weniger passiert als im Freund*innen – oder Bekanntenkreis, ich weiß aber, dass es grundsätzlich verhäuft vorkommt. Ein Schwarzes Kind zu adoptieren oder ein Kind of Colour zu haben, macht eine Person nicht zum Antirassisten – ja, auch dann wenn mensch gegen Nazis ist.

Ich habe mir erst neulich angeeignet, meine Familie mit Rassismus zu konfrontieren, auch wenn es unter ein paar meiner Schwestern und mir schon länger Gesprächsthema war. Im zweiten Eintrag habe ich schon gesagt, dass es meiner Meinung nach, helfen kann, zu Familienmitgliedern, mit denen mensch zurzeit nicht auf einen Nenner kommt, auf Abstand zu gehen und sich selbst sowie ihnen Zeit und Raum zu geben, sich zu sammeln, zu bilden und zu reflektieren.

Ich habe ein paar eurer Umgangstipps auf Instagram für diesen Blogbeitrag gesammelt.

Wenn eine Person die Kraft hat, nahestehende Personen auf ihren rassistischen Witz, Aussage oder Bemerkung aufmerksam zu machen, sollte sie das möglichst ruhig tun – auch wenn es ein sehr emotionales Thema ist. Ihr könnt die Person so in einen sachlichen Dialog verwickeln.

Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass auf die Rassismuskonfrontation ein verteidigender Satz folgt, weshalb ihr der Aussage mit Wissen bzw. Rationalität begegnen könnt. Ich verweise meist ab einem bestimmten Punkt einfach an Bücher oder andere Informationsquellen, weil mein Geduldsfaden irgendwann reißt. Falls ihr dafür nicht die Kraft oder auch Lust habt, ist eine indirekte Form des Aufzeigens des Fehlverhaltens als „Spiegelmethode“ auch in Ordnung. Dadurch soll die Person, vor allem bei dummen oder unsensiblen Fragen merken, wie unnötig ihr Kommentar war. Auf den Satz „Man sieht dich gar nicht im Dunkeln“ kann dann beispielsweise mit geantwortet werden: „Dich auch nicht – weil es dunkel ist“. Es geht also nicht um Beleidigungen oder so, sondern du nimmst dem Satz des Gegenübers ein bisschen die beabsichtigte Wirkung – zumindest in deren Augen. Das ist natürlich nicht so rational, sondern eher emotional. Es erstickt das Problem auch nicht im Keim, gibt euch aber meist Ruhe für den restlichen Abend. Ich bin, was Emotionalität bei Rassismuserfahrungen angeht, der Meinung, dass es nicht unsere Aufgabe ist, einen Bildungsauftrag zu erfüllen, wenn wir von einer Person rassistisch angegriffen werden. Alle unsere Emotionen in der Situation sind valide und es ist auch verständlich, dass wir diese zeigen.

Ich wünsche euch allen viel Kraft im Umgang mit nahestehenden Personen, die rassistisch sind!!! Empowert euch gegenseitig durch die Erfahrungen, die ihr auf der Plattform teilt – und in privaten Chats – und empowert euch durch Freund*innen, die sich antirassistisch bilden. Auf Instagram habe ich noch ein paar mehr Reaktionsmöglichkeiten gepostet. Ihr seid nicht alleine mit Rassismuserfahrungen im nahestehenden Personenkreis.