Healing von rassistischen Bemerkungen von nahestehenden Personen

GERMAN VERSION ONLY

Welcome back again!

Rassismuserfahrungen durch nahestehende Personen haben wir alle schon gemacht und sie sind besonders schmerzhaft. Letzte Woche ging es um den Umgang damit in der jeweiligen Situation selbst. Aber viel wichtiger finde ich den Umgang danach, wenn man die Situation verlassen hat. Wir werden in diesen Momenten (re-)traumatisiert. Ich muss euch nicht in Lang erklären, wie das aussieht. Kurzum also: Wir fangen an, uns in unseren Ängsten vor erneuter Konfrontation zu verstricken. Unsere Freunde, Bekannten und Familienmitglieder sollten eigentlich ein Safe Space für uns sein, in dem wir vor rassistischen Übergriffen geschützt sind. Diese Enttäuschung, wenn das nicht der Fall ist, trifft um einiges härter als die dumme Bemerkung des Passanten, den wir das erste und letzte Mal in unserem Leben sehen. Den Racial Stress, den wir empfinden, wenn wir Freunde an bestimmten Orten besuchen fahren oder zum Bäcker laufen oder uns in ein neues Seminar an der hauptsächlich Weißen Uni einschreiben, nehmen wir plötzlich auch mit an familiäre/freundschaftliche Orte. Und nicht nur das: Er wird erhöht, weil wir mit diesen Personen immer und immer wieder konfrontiert werden, weil wir uns nicht so leicht von ihnen lösen können. Wie können wir also diese Traumata verarbeiten? Wie können wir von diesen Traumata heilen?

1) Reflexion und Emanzipation

Alles steht und fällt mit unserer Connection und unserer Einstellung zu uns selbst. Wir müssen uns zunächst selbst definieren und verorten. Das heißt, sich von dem Gesagten des Gegenübers zu emanzipieren. Wir müssen von dem Gedanken, unter Weißen Menschen zu stehen und uns um ihre Bedürfnisse sorgen zu müssen, emanzipieren und anfangen uns zu sehen, wie wir sind und nicht, wie wir von ihnen gespiegelt werden. Wir müssen reflektieren, ob das, was uns vermittelt wird, wirklich die Wahrheit ist. Knapp: Wir müssen uns mit unserem Selbstbild und unserem von Weißen kreierten Bild auseinandersetzen.

2) Sichtbarmachung der eigenen Person

Wir sind erzogen worden, gegenüber Weißen unsichtbar zu sein und uns somit auch nicht selbst zu sehen, wie wir eigentlich sind. Wenn wir eine Verbindung zu unserem Schwarzsein und unserer eigenen Wahrnehmung aufbauen, werden wir für uns sichtbar und können uns auch sichtbar machen. Uns als Schwarze Personen sichtbar zu machen, bedeutet, unseren Heilungsprozess und unsere Empfindungen an erste Stelle zu stellen.

3) Treue zu den eigenen Empfindungen

Uns wird von Kleinauf gespiegelt, dass unsere Empfindungen bezügl. Rassismus falsch oder übertrieben sind. Was auch immer wir empfinden, ist aber valide und hat eine Daseinsberechtigung. Zu oft stellen wir die Empfindungen nahstehender, rassistischer Personen über unsere eigenen. Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Emotionen verdreht und von uns in Frage gestellt werden. Wir wissen selbst am besten, was wir empfinden und dazu sollten wir stehen. Nichts absprechen lassen.

4) Auf den Energiehaushalt achten

Wir müssen gucken, wohin wir unsere Energie investieren. Anstatt unsere Energie in den Aufwand zu stecken, die Situation irgendwie für unseren rassistischen Gegenüber angenehm bzw. nicht peinlich zu machen, sollten wir unsere Energie in unsere traumatisierten Ichs stecken. Wir neigen gerade bei nahstehenden Personen dazu, darauf zu achten unseren Gegenüber nicht zu verletzen, obwohl wir die Verletzten sind. Das raubt enorme Energie an der falschen Stelle. Wer nicht in unangenehme Situationen geraten will, sollte nicht rassistisch sein – just sayin.

5) Stichpunkt Energie: Nicht auf kontraproduktive Diskussionen einlassen

Wir müssen uns nicht auf Diskussionen mit Familienmitgliedern oder auch Freunden einlassen, deren Ziel es ist, gegen unsere Empfindungen zu argumentieren und diese so kleinzureden. Wenn wir ihr Fehlverhalten ansprechen, ist es an ihnen, dieses zu reflektieren und zu bessern und nicht an uns, sie zu bilden oder in ihren Einstellungen zu empowern. Btw: Wenn sie anfangen mit „Meiner Meinung nach“ sage ich gleich, dass Rassismus nichts mit ihrer Meinung zu tun hat, sondern mit ihrer Menschlichkeit.

6) Krone aufbehalten (Metapher von einer wunderbaren Sister)

Stellen wir uns vor, jede*r von uns hat eine Krone auf dem Kopf. Können wir mit unserer Haltung uns gegenüber diese Krone tragen, ohne, dass sie runterfällt? Wir müssen stolz auf uns sein. Stolz auf unser Schwarzsein und stolz auf unseren täglichen Kampf. In diesem rassistischen System, das uns unsere Existenz abspricht, ist es eine einzige Protesthandlung, unser Brot beim Bäcker zu kaufen oder die Straße entlangzulaufen. Brust raus, gerader Rücken und erhobenes Haupt. Wir nennen uns gegenseitig Queens und Kings, jetzt wird es Zeit, dass sich das auch in unseren äußeren und inneren Haltungen widerspiegelt.

7) Distanz

Wichtig ist, dass der Heilungsprozess abseits von den besagten nahestehenden Personen stattfindet. Sich zu distanzieren ist schwer, aber wenn wir ständig den Mikro – und Makroaggressionen unserer Familien und Freunde ausgesetzt sind, können wir nicht heilen, weil wir immer und immer wieder von ihnen (re-) traumatisiert werden. Auch damit sind wir nicht alleine und wichtig ist, dass wir uns dabei gegenseitig empowern.

8) Safe(r) Spaces

Alleine zu heilen, ist kein ressourcenbewusster Umgang mit unserer Energie. Wir müssen uns connecten, um uns gegenseitig in unseren Emotionen zu bestärken, uns gegenseitig sichtbar zu machen, gemeinsam zu reflektieren, uns Halt beim Brückenabbauen zu geben und uns die Kronen wieder aufzusetzen. Was Healing angeht, bin ich echt davon überzeugt, dass der Weg das Ziel ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit und durch Andere heilen, indem wir uns verknüpfen und uns empowern, indem wir Spaces für uns finden, wo wir einfach nur ehrliche Bestärkung erfahren und lernen, unsere Heilung und unser Wohlergehen an erste Stelle zu setzen.

Das rassistische System wird für uns immer belastend und energieraubend sein. Wir werden immer wieder neue Traumata machen. Aber wir brauchen unsere Communities, um von diesen Traumata zu heilen – gerade von Rassismus durch nahestehende Personen. Ich wünsche allen viel Kraft im Umgang mit rassistischen Personen und viel Empowerment durch Freunde und andere Schwarze/BIPoC.

Bis zum nächsten Mal!

Elli