Ich will Aufmerksamkeit!

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Ich bin zurzeit viel im Gespräch mit Weißen Elternteilen hauptsächlich Schwarzer Kinder, die mich anschreiben für Alltagtipps oder einfach ein offenes Ohr brauchen oder mir ein Heads Up geben. Sie haben mich total inspiriert für eine flächendeckendere Arbeit, für eine Kooperation mit zwei wunderbaren Freund*innen, mit denen ich für diese Eltern jetzt einen Empowerment Space errichte. Obwohl diese Elternteile total divers sind, fällt mir eins immer wieder auf: Die unerschöpfliche Aufmerksamkeit, die sie für das Bi_PoC-Sein ihrer Kinder entwickeln und ausbauen wollen. Von der Haarpflege bis hin zu den Auswirkungen von Rassismuserfahrungen über den Wunsch des Weißseins ihrer Kinder setzen sie sich damit auseinander und sind bereit, dazu zu lernen, in den Austausch zu treten. Es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber es ist nicht die Norm.

Ich merke immer wieder, wie Weiße Familienmitglieder als Kollektiv unserem Bi_PoC-Sein und unserer Menschlichkeit darin nicht die Aufmerksamkeit und auch nicht die Wertschätzung schenken, die wir verdienen. Wir bekommen die Aufmerksamkeit, von der sie profitieren, die Aufmerksamkeit, die ihre Weißen Privilegien und ihre Weißen Komfortzonen nicht zu sehr einschränkt. In diversen Gesprächen mit Weißen Menschen – auch mit meinen eigenen Familienmitgliedern – ist mir schon oft eine Haltung begegnet, die sagt: Du willst doch nur Aufmerksamkeit. Manche haben es auch laut ausgesprochen, manche haben es ganz manipulativ angebracht und mich hinterher für dumm verkauft, dass ich ihnen eine solche Aussage unterstellen würde. Ich sage es, wie es ist: Ja, ich möchte Aufmerksamkeit. Aber nicht nur das. Ich will Veränderung und ich will Anerkennung für die Exzellenz, Menschlichkeit und Personifizierung unseres Bi_PoC- Seins. Glaubt mir, ich spreche die Probleme, Phänomene, Erfahrungen und Auswirkungen vom Aufwachsen und Leben in einem unsensibilisierten Umfeld nicht an, weil es so eine Freude für mich ist, mich von Weißen Menschen gaslighten, terrorisieren, dämonisieren oder hinterfragen zu lassen. Ich will die ungeteilte Aufmerksamkeit Weißer Menschen – und vor allem die unserer Weißen Familienmitglieder – für die Dinge, die Bi_PoC in ihrem Leben durchmachen müssen, weil sie zu bequem sind, uns eben diese Aufmerksamkeit zu schenken. In meiner Arbeit will ich Aufmerksamkeit für die Probleme in Weißen Familien mit Bi_PoC – Kindern, die aus genau dieser Bequemlichkeit entstehen und gewaltvoll uns gegenüber sind. Und zwar, weil es sich ändern muss – diese Erhaltung von White Supremacy im Familienkreis.

Ein prominentes Beispiel, das auch wirklich nie alt wird, ist die grauenhafte Behauptung: „Ich bin nicht rassistisch, ich habe ein Schwarzes Kind/Schwester/Bruder/etc.“ Unser Leben lang werden wir in Weißer Sozialisierung weißradiert, ohne Rücksicht auf unsere Gefühle, die Auswirkungen oder unsere Person. Rassismuserfahrungen, die wir aufgrund unseres nicht – Weißseins machen, werden abgesprochen und/oder ignoriert. Warum? Es passt nicht mit der Erhaltung von Weißen Komfortzonen und Weißer Überlegenheit zusammen, diese anzuerkennen. Erst, wenn diese zu wanken droht, kommt die schädigende, gewaltvolle Haltung zum Vorschein, deren Nachricht ist: „Schaut mal wie toll mein Weißsein ist. Ich habe sogar eine Beziehung zu jemandem, der Bi_PoC ist!“ Es ist so dehumanisierend, weil es uns mal wieder instrumentalisiert. Wir werden als Alibi für die Erhaltung der White Supremacy in den eigenen vier Wänden benutzt und das ist wirklich nichts, womit man sich als Weiße Person rühmen sollte. Es ist naheliegend, dass bei einer moralischen Hinterfragung Weißer Familienmitglieder gleich das Bi_PoC – Kind vorgeschoben wird, um die Moral zu bestärken, wenn man bedenkt, dass das ganze System Rassismus auf einer moralischen Bestärkung von Gewalt beruht. But I am not having it!

Es empowert mich total, im Gespräch mit denjenigen Weißen Familienmitgliedern und Eltern von teils sehr jungen Bi_PoC – Kindern zu sein, die sich auf den Weg machen und mit mir ins Gespräch kommen, eben weil sie ihren Kindern die Aufmerksamkeit schenken wollen, die ihre Lebensrealitäten verdienen. Ich spreche mit Eltern, die fünfjährige Kinder haben und schon drei Workshops und Antirassismustrainings besucht haben, mehrere Plattformen anschreiben, sich um Eltern – Kind – Gruppen bemühen, kilometerweit fahren, damit ihr Kind jemanden zum Spielen hat, der*die eine ähnliche Lebensrealität teilt. Die im akademischen Leben ihrer Kinder hinterher sind, damit ihr Kind auch ja die Bildung und die Anerkennung bekommt, die es verdient. Es ist ein Privileg, als Bi_PoC Weiße Elternteile zu haben und dieses Privileg wird von so vielen Eltern gar nicht in Anspruch genommen, weil es Arbeit und Aufmerksamkeit erfordert. Danke für euch, die ihr euch reinhängt, bleibt dran, denn ihr schafft ein wertvolles Umfeld für eure Kids und eure Bi_PoC – Verwandten!  

Das ist heute alles, was ich dazu sagen will.