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Whiteness/Weißsein ist ein Konstrukt, das sich sich über den niedrigeren Status Nicht-Weißer Menschen definiert. Jede einzelne Weiße Person lebt in diesem Status der Whiteness und es benötigt einen aktiven, lebenslangen Prozess, diese Whiteness und damit auch das Weiße System alias Rassismus abzubauen. Zu denken, dass Liebe vor der eigenen Whiteness schützt, kommt daher, dass man denkt, dass Rassismus mit Hass einhergeht. Dass das nicht stimmt, wurde jetzt schon von vielen Expert*innen und Aktivist*innen etabliert.
In allen guten und schlechten, empowernden und auch schmerzhaften Gesprächen mit Familienmitgliedern über Rassismus hat nicht eine Person das, was sie gesagt hat, gesagt, um mich zu verletzen oder weil sie mich hasst. Aber trotzdem waren und sind die Konversationen durchtränkt von Whiteness – von Weißem Rettertum, Weißen Tränen, Weißer Zerbrechlichkeit, Weiß-privilegierten Aussagen, Weißen Sichtweisen und nicht zuletzt Weißer Bequemlichkeit.
Total unbewusst wurde mir mit dem Ausspielen von Whiteness ein niedrigerer Platz zugewiesen, ich dehumanisiert, gegaslighted, für dumm verkauft und auch als psychisch unzurechnungsfähig erklärt. Nicht aus Böswilligkeit, nicht aus Hass, auch nicht aus Liebe, sondern aus Whiteness heraus.
Liebe oder auch die Nähe zu einer Person ist kein Impfstoff gegen Whiteness und schützt den*die Bi_PoC auch nicht davor. Tatsächlich vergrößert sich sogar der zugefügte Schaden, je mehr Bi_PoC man als Weiße, unsensibilisierte Person im Umfeld hat.
Es ist wichtig, dass Weiße Familienmitglieder, Freunde, Bekannte und das Weiße Kollektiv das verstehen und aktiv daran arbeiten, ihre Privilegien, ihren Status und die Machtverhältnisse zu erkennen und ihnen kritisch entgegenzutreten, um sie letztlich abbauen zu können – angefangen bei sich und im Familienkreis. Nicht nur jede*r für sich, sondern auch als Familie zusammen. Die Arbeit liegt bei ihnen, nicht bei ihren Bi_PoC-Familienmitgliedern. Whiteness abzubauen heißt, Gleichheit zu schaffen.
An alle Bi_PoC: Ich habe bisher immer versucht, Whiteness und die Beziehung von mir und Familienmitgliedern aufzuwägen. Ich habe mich gefragt, ob und wie es sein kann, dass mehreren von ihnen ihre Weiße Bequemlichkeit und ihr Privileg wichtiger sind als mein Wohlbefinden und meine Sicherheit. Um meiner mentalen Gesundheit wegen, versuche ich, das nicht mehr zu tun. Es hat nämlich nichts mit meinem Verständnis von Liebe zu tun. Das Dilemma beginnt auch gar nicht bei mir, sondern bei der Denkweise, dass sich Whiteness und Liebe gegenseitig ausschließen. Wenn ich über von Familienmitgliedern geschriebene Briefe oder auch Gespräche zu Rassismus und meinen Rassismuserfahrungen nachdenke und reflektiere, fällt mir auf, wie sehr auch das Verständnis und/oder der Ausdruck von Liebe gegenüber mir als Bi_PoC von Whiteness geprägt ist. Das macht es nicht weniger schmerzhaft, aber zumindest kann ich jetzt sehen, dass es auch Teil des Systems ist.
Ich habe gelernt: Ich muss nicht von Hass erfüllt sein, um rassistisch zu sein. Ich muss ebenso nicht von Liebe erfüllt sein, um antirassistisch zu sein. Ich muss nicht jemanden hassen, um Weiß zu sein und ich muss niemanden lieben, um Bi_PoC zu sein. Oder in anderen Worten: Man kann jemanden lieben und dennoch Weiß und/oder rassistisch sein. Man kann jemanden nicht mögen und dennoch Bi_PoC und/oder antirassistisch sein.
An alle Weißen Familienmitglieder, die das lesen und nicht wissen, was sie machen können, um ihre Whiteness abzubauen: Auf Instagram unter dem Post „Was tust Du um Deine Whiteness und rassistische Strukturen in Deinem Familienkreis abzubauen?“ haben viele Eltern von Bi_PoC-Kids geschrieben, was sie so alles machen, um eine rassismusfreiere und empowerndere Welt für ihre Familienmitglieder zu schaffen. Unter dem Highlight „White Work“ findet ihr ebenso hilfreiche Tipps. Do the work.