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Je mehr ich mich mit meiner Adoptionsstory auseinandersetze, desto mehr entferne ich mich vom Weißen Narrativ meiner Adoption. Das liegt vor allem daran, dass viele Dinge, die mir durch eine Weiße Linse erzählt wurden, in meinem Fall einfach nicht stimmen. Das Weiße Narrativ von transracial Adoption ist durchflutet von White Saviorism, White Supremacy und natürlich auch Weißen Sichtweisen.
Ich möchte bevor ich in die einzelne Aspekte gehe, noch anmerken, dass das Weiße Narrativ uns auch erzählt, dass die neuen Eltern von Adoptee-Babies bei 0 anfangen: Das Weiße Narrativ von Adoption bestimmt, wann die Story und das eigentliche Leben des*der Adoptee beginnen – und zwar hier im Globalen Norden. Ich hoffe, in meinen letzten Posts zu Adoption konnte ich dieses Narrativ weitgehend widerlegen. Ich sage hier nochmal, dass auch Adoptee-Babies eine Story haben – sie fangen nicht bei 0 an. Auch wenn mensch Babies gleich nach der Geburt adoptiert: Sie haben schon die Geburt (die vielleicht auch traumatisch und stressig war) durchgemacht und sie wurden von der leiblichen Mutter getrennt, dabei wird eine Bindung gekappt.
Da das gesagt ist: Let’s dive in.
White Saviorism im Weißen Narrativ von Transracial Adoption
Das Weiße Narrativ kommt ohne White Saviorism nicht aus. Es ist vor allem dazu da, das Bild von Weißen Menschen als White Savior zu unterstützen und zu verfestigen. Im Weißen Narrativ von transracial Adoption stehen die Weißen Menschen im Globalen Norden (privilegierte Welt) als Retter*innen gegenüber den Nicht – Weißen Menschen im Globalen Süden (deprivilegierte Welt) dar. Durch die Adoption wurde das Nicht-Weiße Baby oder Kleinkind aus einer unzumutbaren Umgebung befreit und ihm*ihr jetzt ein glückliches und besseres Leben ermöglicht und eine Familie hier konnte sich jetzt den lebenslangen Traum und Wunsch eines Kindes erfüllen. Im Weißen Narrativ wird auch immer wieder hervorgehoben, wie viel besser es das Kind jetzt hat und Herkunftsland und das Hier werden gegeneinander aufgewogen. Typische Weiße Narrative meiner Kindheit und Jugend dazu sind: „Wenn wir dich nicht geholt hätten, dann…“ oder „Wer weiß, wo du jetzt wärst, wenn wir nicht…“ oder „Irgendwann wirst du verstehen, was deine Eltern für dich getan haben…“ oder „Hätten wir dich nicht adoptiert, hätten deine Verwandten nicht [xyz tun können]“. #whitesaviorismonitsfinest
White Supremacy im Weißen Narrativ von transracial Adoption
Das Weiße Narrativ wird nicht nur von Weißen Menschen erzählt. Im Globalen Süden ist es ein offenes Geheimnis, dass es Kinder in den Ländern des Globalen Nordens besser haben, und zwar nicht nur, weil die Bevölkerung in diesen Ländern mehr Reichtum hat, sondern vor allem, weil diese Länder besser sind. Anstatt Kinder also national oder innerhalb des Globalen Südens von reiche(re)n Bi_PoC adoptieren zu lassen, fliegt mensch lieber Weiße Menschen des Globen Nordens ein, die das Kind dann an Familien im Globalen Norden geben, obwohl wohlhabende oder auch einfach nicht arme Familien im Globalen Süden, den Kindern ebenfalls eine gute Schulbildung, Essen, medizinische Versorgung und ähnliches vermitteln könnten. Aber das reicht nicht, denn die Schulbildung, das Essen und die medizinische Versorgung sind nicht gut genug, gemessen an europäischen/nordamerikanischen/ australischen Standards. White Entitlement spielt dabei auch eine Rolle. Beispielsweise dabei, dass Weiße Non-Adoptees und Familienmitglieder meinen, bestimmen zu können, wie schwer unsere Adoptionen wiegen und wie wir damit umzugehen zu haben, worüber wir uns zu freuen haben und wie wir darüber denken sollten. Aber auch das selbstgegebene Anrecht auf eine Familie mit Kind(ern), bekommt bei Adoptionen nochmal einen anderen Touch. So passiert es häufiger als gedacht, dass leibliche Familien überzeugt werden, ihre Kinder an Weiße Menschen abzutreten, da das Kind es bei ihnen besser habe. Auf White Supremacy und Entitlement im Kontext von (meiner) Adoption werde ich noch eingehen. Typische Narrative meiner Kindheit und Jugend dazu sind: „Ich wollte schon immer ein Schwarzes Baby“ (White Entitlement) oder „Es ist schön, dass sich dein Leben zum Besseren gewendet hat“ (White Supremacy) oder „Sei froh, dass du überhaupt zur Schule gehen kannst“ (White Entitlement) oder „Die Kinder in Afrika hungern“ (White Supremacy).
Weiße Sichtweisen im Weißen Narrativ von transracial Adoption
Mit den oben genannten Whiteness-Aspekten geht natürlich auch eine Weiße Sichtweise einher, die das Ganze stützt. Weiße Sichtweisen auf den Globalen Süden sind (oft) mit rassistischen Narrativen und rassistischer Sprache verbunden. Das kommt gerade dann zum Vorschein, wenn es darum geht, sich oder dem*der Adoptee Fragen zu beantworten, auf die mensch keine Antwort weiß. Sätze wie „Wer weiß, wo du jetzt wärst, wenn“ und „Wenn wir dich nicht geholt hätten, dann…“ enden oftmals mit einem Beispiel, das der Weißen Vorstellung des Globalen Südens aber nicht unbedingt der Wahrheit entspricht. Auch durch rassistische Sprache wird ein weitgehend negatives Bild vom Herkunftsland und utopisch positives Bild von dem „Hier“ vermittelt. Typische Narrative/Begriffe meiner Kindheit und Jugend dazu sind: „Busch“ oder „Dr*tte Welt“ oder „sehr arm“ oder „Besch*eidung“ oder gewaltvolles und mittelloses Aufwachsen, Überforderung meiner Herkunftsfamilie, Verhungern meinerseits, geringe Lebensqualität und vieles mehr.
Das Weiße Narrativ ist rassistisch und gewaltvoll, weil es darauf abzielt, Weiße Menschen und den Globalen Norden über den Rest der Welt zu erheben und nicht zuletzt, sich selbst als White Savior zu profilieren. Es ist nicht einmal bewusst, aber dennoch, wie wir gelernt haben, die Welt und Weiße Menschen darin zu sehen.
Familien: Do.the.work
Bi_PoC-Adoptees: Vielleicht kann der*die Eine oder Andere von euch, sich mit ein paar Aspekten des Narrativs identifizieren. Ich kann nur sagen: Erzählt eure Adoptionsstory und eure Sichtweise selbst. Letztlich ist das eigene Adoptee-Narrativ das, worum es wirklich geht.