Wir fangen nicht bei 0 an

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TW: Adoption x Verlust

Elternteilen, die adoptieren, wird gern vermittelt, dass sie mit einem Baby bei 0 anfangen würden, weil die Persönlichkeit noch nicht geformt ist und auch ein Langzeitgedächtnis noch nicht entwickelt. Non-Adoptees denken, dass ein Kind zu adoptieren das gleich sei wie ein Kind selbst zu bekommen – man liebt es ja gleich. Aber darum geht es nicht. Leibliche Kinder fangen bei 0 an, adoptierte Kinder nicht.

Wie gestern schon erwähnt, datiert das Weiße Narrativ den Beginn unseres Lebens mit dem Beginn unseres Adoptee -Lebens. Währenddessen wird von uns erwartet, leibliche Familie, Kultur und Herkunft hinter uns zulassen und auf den Zug des Weißen Narrativs aufzuspringen.

Alles, was vor unserer Adoption passiert, ist der Raum zwischen 0 und 1 – egal, wie jung wir sind.

Von uns wird erwartet, alles vor dem Adoptee-Life zurückzulassen, damit unsere Adoptee-Familien mit uns bei 0 anfangen können. Neue Erinnerungen machen können, die unser Leben prägen.

Fakt ist aber: Wir fangen nicht bei 0 an.

Adoptees hatten für eine kurze oder eine lange Zeit eine Identität, die Non-Adoptee war – biologisches Familienmitglied, Pflegekind, Heimkind, John Doe im Krankenhaus und andere.

Wenn wir Informationen aus unserer Säuglingszeit und/oder Kindheit haben wollen, können wir nicht einfach unsere Elternteile fragen, denn wir fangen mit ihnen nicht bei 0 unseres Lebens an, sondern bei 1.

Alle Informationen des Lebens zwischen 0 und 1 müssen wir uns zusammenkratzen und das ist nicht immer möglich. Unsere Leben zwischen 0 und 1 sind lückenhaft oder dokumentarisch nichtexistent.

Deshalb sind Adoptionen auch immer über das Kappen der Bindung zur leiblichen Mutter mit Verlust verbunden. Wir verlieren Aspekte unseres Lebens, die zwischen 0 und 1 stattfinden und die wir eventuell nicht wiederfinden können.

Adoption ist Trauma und wir müssen entlernen, Adoptees zu vermitteln, einfach okay mit ihren Verlusten und Informationslücken sein zu müssen und ihnen zu vermitteln, bei 0 anzufangen, wo eigentlich 1 ist.

Wir fangen nicht bei 0 an.

Außerdem Bi_PoC: Im letzten Space haben wir den Freitag als “Feel yourself-Friday” für uns erklärt. Dieser Text is me feeling myself, today. Aber wie dem auch sei, ich mache die nächsten Stunden etwas nur für mich und am Nachmittag Sushi mit meiner Mitbewohnerin :). Was tut ihr euch heute Gutes? How are you feeling yourself today?