White Entitlement und Supremacy bei transracial Adoptionen

TW: Adoptionstrauma x Suizid x Tod/Adoption trauma x Suicide x Death

ENGLISH VERSION BELOW

Ich habe wirklich viel darüber nachgedacht, warum Adoptionen für transracial Adoptees so schmerzhaft und zerreißend sind. Nicht nur das Verlassen von Herkunftsfamilie und Herkunftsland, sondern der ganze Prozess der Adoption inkl. der Integration in die neue Familie und Umgebung. In den USA ist gerade National Adoptee Awareness Month und ich habe von viel zu vielen transracial Adoptees gelesen und gehört, deren Adoption so zerreißend und so schmerzhaft für sie war, dass sie sich das Leben genommen haben. Jedes Mal, wenn ich von einer schmerzhaften, unglücklichen oder sogar tödlichen Adoptionsgeschichte höre, tut mir das richtig weh. Ich kenne die Leute nicht unbedingt, aber ich kann mich identifizieren, mit dem Schmerz, den sie haben, wenn ihre Adoptionen nicht aus den richtigen Gründen passieren. Wenn andere Menschen denken, sie hätten ein Anrecht auf ihr Leben. Wenn andere Menschen in den Vordergrund stellen, wie die Adoption für sie ist und nicht, was und wie es für uns ist. Da ich von transracial Adoptionen in Weiße Familien spreche, spreche ich bei “andere Menschen” über Weiße Menschen, die adoptieren – Geschwister und sonstige Familienmitglieder inklusive.

Listen, y’all: Adoptionen sind für das Kind! Nicht für das Weiße Ego Weißer Savior. Nicht für den Ausgleich biologisch gegebener Reproduktionsungerechtigkeiten. Nicht für das eigene Prestige. Nicht für den eigenen Sinn des Lebens. Nicht für ein besseres und glücklicheres Leben für sich selbst. Nicht für die Niedlichkeit der “Sch*kobabies”. Adoptionen sind für das Kind! Kinder sind Menschen. Menschen haben Leben. Menschen leben. Wer eine emotionale Lücke füllen will oder “Sch*kobabies” süß findet oder sich in der Nachbarschaft als White Savior etablieren will oder einen Sinn im Leben will, soll einen Hund kaufen, Patenschaften übernehmen oder seinen Job kündigen und was Neues starten. Aber Kinder aus ihrem Leben zu reißen, damit mensch selbst ein schöneres Leben hat, ist egoistisch. Und es verfehlt den Sinn von Adoption.

Kinder sind Menschen. Kinder ohne Eltern sind Menschen. Kinder ohne Supportsystem sind Menschen. Kinder ohne Liebe für sich in ihrem Umfeld sind Menschen. Es wird hier mit Leben gespielt, weil mensch denkt, er*sie hätte ein Recht darauf, ein (Schwarzes, Indigenes) Kind (of Color) zu haben. Listen people, in erster Linie ist Adoption dazu da, einem Kind, das kein Supportsystem, keine Liebe, keine Eltern und kein liebendes und sicheres Umfeld hat, genau das für immer zu geben. Das heißt, ein Kind sucht jemanden, der*die das geben kann. Darum geht es. Es geht nicht darum, dass das Kind die eigenen Zwecke, emotionalen Lücken, den Sinn des Lebens und sonstige individuelle, ichbezogene Dinge erfüllt.

An einem Punkt in ihrem Leben fragen viele Adoptees ihre Eltern, warum diese sie adoptiert haben und transracial Adoptees fragen möglicherweise auch noch, wieso ihre Eltern gerade ein Bi_KoC adoptiert haben. Adoptee-Eltern, ich spreche euch jetzt ganz gezielt an: Überlegt euch gut, was die Antwort auf diese Frage(n) ist. Ich kann euch sagen, dass “Ich wollte schon immer ein Schwarzes Baby” und “Es macht sich gut in der Kirche” nicht die Antworten sind, die eure*euer transracial Adoptee hören will und es sollte auch nicht die Motivation dahinter sein.

Wieso jetzt White Entitlement und Supremacy? Ich habe schon angesprochen, dass Kinder des Globalen Südens selten innerhalb des Globalen Südens adoptiert werden, sondern es Institutionen gibt, die Geld damit machen, diese Kinder in den Globalen Norden zu bringen. Eine – nicht die einzige – Begründung ist, dass sowohl Menschen im Globalen Norden als auch im Süden durch die Linse des Weißen Narrativs eingetrichtert wird, dass Kinder es im Globalen Norden besser haben. Das ist White Supremacy. Weiße Menschen als Kollektiv denken, sie hätten ein Anrecht darauf, diese Kinder aus den schrecklichen Bedingungen dort zu befreien und selbst großzuziehen – ohne Rücksicht auf Verluste. Und wie gesagt: Adoptionen sind IMMER mit Verlust verbunden. Das ist White Entitlement.

Aber nicht nur das. White Supremacy kommt gerade dann ins Spiel, wenn Familienmitglieder im Globalen Süden davon überzeugt werden, ihre Kinder an fremde, Weiße Menschen abzutreten, weil ihnen gesagt wird, sie seien nicht gut genug, für diese zu sorgen. Das verfehlt total den Sinn von Adoption. Kinder, die Familie haben, die sich um sie kümmert, sie liebt, sie schützt – auch wenn es nicht die Birth Parents sind – brauchen keine Adoption.

White Entitlement ist auch, wenn Weiße Menschen denken, sie wüssten am besten, was das beste für das Kind ist – besser als die Herkunftsfamilie, besser als alle Bi_PoC. Sie denken, sie hätten ein Anrecht darauf, ihnen zu sagen, ob sie gut genug sind und später denken Weiße Familienmitglieder, sie hätten ein Anrecht darauf, dass wir mit ihnen bei 0 anfangen, wo 1 ist (s. letzter Beitrag) und uns zu sagen, wie wir mit unserer Adoption umzugehen zu haben. White Entitlement ist auch “Ich wollte ein Schwarzes Baby!”. Listen y’all: Weiße Menschen sind nicht entitled, Schwarze Kinder zu haben. Sie sind nicht entitled, aus anderen Familien ihre eigene zu bilden, weil das Familienfoto so viel bunter aussieht. Sie sind nicht entitled, Schwarze Menschen als Paradebeispiel für ihren Saviorism zu benutzen. Sie können es aber tun und das ist die Essenz von White Supremacy: Die Dinge, die Weiße Menschen nicht tun sollten oder eigentlich nicht tun dürfen, aber trotzdem tun können, weil sie diejenigen sind, die sagen, was sie tun sollten und dürften.

Meine bisherige Antwort auf die Frage, wieso Adoptionen für zu viele transracial Adoptees schmerzhaft und zerreißend sind: Whiteness. Whiteness zentriert die eigenen Bedürfnisse und nicht die Bedürfnisse des Kindes und das verfehlt den Sinn von Adoption. Damit wird Adoptees die Last auferlegt, der Sinn des Lebens, Paradebeispiel, Ego-Booster, Ausgleich für Reproduktionsungerechtigkeiten, Stereotypisierung zu sein. Whiteness in Adoptionen macht Kinder im Globalen Süden zu Projekten, Zahlen und Waren und das ist dehumanisierend.

Wenn ich sage, dass Weiße Familien lernen müssen, ihre Whiteness abzulegen, dann sage ich das nicht so dahin. Whiteness dehumanisiert und ist toxisch.

Familien: Do.the.work!!!!!

Bi_PoC-Adoptees: Ganz viel Liebe, Stärke und inner peace für euch! Connected euch, weil niemand von uns mit Adoptionstrauma und Zerrissenheit alleine sein sollte oder ist. Falls ihr kommentieren möchtet, tut das gerne. Schreibt mir eine DM, wer es braucht.

Adoptee-Eltern und Weiße Familienmitglieder von Adoptees und alle Non-Adoptees: Ich möchte heute bitte keine Kommentare von euch unter diesem Post lesen. Dieser Post dreht sich um Adoptees, bitte respektiert das. Nehmt den Beitrag an, nehmt ihn mit, reflektiert und do the work.


White Entitlement and Supremacy in Transracial Adoptions

I have thought a lot about why adoptions cause so much pain and inner strife for many – not all, but many – transracial adopteesIch habe wirklich viel darüber nachgedacht, warum Adoptionen für zu viele – nicht alle, aber zu viele – transracial Adoptees so schmerzhaft und zerreißend sind. Nicht nur das Verlassen von Herkunftsfamilie und Herkunftsland, sondern der ganze Prozess der Adoption inkl. der Integration in die neue Familie und Umgebung. In den USA ist gerade National Adoptee Awareness Month und ich habe von viel zu vielen transracial Adoptees gelesen und gehört, deren Adoption so zerreißend und so schmerzhaft für sie war, dass sie sich das Leben genommen haben. Jedes Mal, wenn ich von einer schmerzhaften, unglücklichen oder sogar tödlichen Adoptionsgeschichte höre, tut mir das richtig weh. Ich kenne die Leute nicht unbedingt, aber ich kann mich identifizieren, mit dem Schmerz, den sie haben, wenn ihre Adoptionen nicht aus den richtigen Gründen passieren. Wenn andere Menschen denken, sie hätten ein Anrecht auf ihr Leben. Wenn andere Menschen in den Vordergrund stellen, wie die Adoption für sie ist und nicht, was und wie es für uns ist. Da ich von transracial Adoptionen in Weiße Familien spreche, spreche ich bei “andere Menschen” über Weiße Menschen, die adoptieren – Geschwister und sonstige Familienmitglieder inklusive.

Wir fangen nicht bei 0 an

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TW: Adoption x Verlust

Elternteilen, die adoptieren, wird gern vermittelt, dass sie mit einem Baby bei 0 anfangen würden, weil die Persönlichkeit noch nicht geformt ist und auch ein Langzeitgedächtnis noch nicht entwickelt. Non-Adoptees denken, dass ein Kind zu adoptieren das gleich sei wie ein Kind selbst zu bekommen – man liebt es ja gleich. Aber darum geht es nicht. Leibliche Kinder fangen bei 0 an, adoptierte Kinder nicht.

Wie gestern schon erwähnt, datiert das Weiße Narrativ den Beginn unseres Lebens mit dem Beginn unseres Adoptee -Lebens. Währenddessen wird von uns erwartet, leibliche Familie, Kultur und Herkunft hinter uns zulassen und auf den Zug des Weißen Narrativs aufzuspringen.

Alles, was vor unserer Adoption passiert, ist der Raum zwischen 0 und 1 – egal, wie jung wir sind.

Von uns wird erwartet, alles vor dem Adoptee-Life zurückzulassen, damit unsere Adoptee-Familien mit uns bei 0 anfangen können. Neue Erinnerungen machen können, die unser Leben prägen.

Fakt ist aber: Wir fangen nicht bei 0 an.

Adoptees hatten für eine kurze oder eine lange Zeit eine Identität, die Non-Adoptee war – biologisches Familienmitglied, Pflegekind, Heimkind, John Doe im Krankenhaus und andere.

Wenn wir Informationen aus unserer Säuglingszeit und/oder Kindheit haben wollen, können wir nicht einfach unsere Elternteile fragen, denn wir fangen mit ihnen nicht bei 0 unseres Lebens an, sondern bei 1.

Alle Informationen des Lebens zwischen 0 und 1 müssen wir uns zusammenkratzen und das ist nicht immer möglich. Unsere Leben zwischen 0 und 1 sind lückenhaft oder dokumentarisch nichtexistent.

Deshalb sind Adoptionen auch immer über das Kappen der Bindung zur leiblichen Mutter mit Verlust verbunden. Wir verlieren Aspekte unseres Lebens, die zwischen 0 und 1 stattfinden und die wir eventuell nicht wiederfinden können.

Adoption ist Trauma und wir müssen entlernen, Adoptees zu vermitteln, einfach okay mit ihren Verlusten und Informationslücken sein zu müssen und ihnen zu vermitteln, bei 0 anzufangen, wo eigentlich 1 ist.

Wir fangen nicht bei 0 an.

Außerdem Bi_PoC: Im letzten Space haben wir den Freitag als “Feel yourself-Friday” für uns erklärt. Dieser Text is me feeling myself, today. Aber wie dem auch sei, ich mache die nächsten Stunden etwas nur für mich und am Nachmittag Sushi mit meiner Mitbewohnerin :). Was tut ihr euch heute Gutes? How are you feeling yourself today?

Das Weiße Narrativ von transracial Adoption

GERMAN VERSION ONLY

Je mehr ich mich mit meiner Adoptionsstory auseinandersetze, desto mehr entferne ich mich vom Weißen Narrativ meiner Adoption. Das liegt vor allem daran, dass viele Dinge, die mir durch eine Weiße Linse erzählt wurden, in meinem Fall einfach nicht stimmen. Das Weiße Narrativ von transracial Adoption ist durchflutet von White Saviorism, White Supremacy und natürlich auch Weißen Sichtweisen.

Ich möchte bevor ich in die einzelne Aspekte gehe, noch anmerken, dass das Weiße Narrativ uns auch erzählt, dass die neuen Eltern von Adoptee-Babies bei 0 anfangen: Das Weiße Narrativ von Adoption bestimmt, wann die Story und das eigentliche Leben des*der Adoptee beginnen – und zwar hier im Globalen Norden. Ich hoffe, in meinen letzten Posts zu Adoption konnte ich dieses Narrativ weitgehend widerlegen. Ich sage hier nochmal, dass auch Adoptee-Babies eine Story haben – sie fangen nicht bei 0 an. Auch wenn mensch Babies gleich nach der Geburt adoptiert: Sie haben schon die Geburt (die vielleicht auch traumatisch und stressig war) durchgemacht und sie wurden von der leiblichen Mutter getrennt, dabei wird eine Bindung gekappt.

Da das gesagt ist: Let’s dive in.

White Saviorism im Weißen Narrativ von Transracial Adoption

Das Weiße Narrativ kommt ohne White Saviorism nicht aus. Es ist vor allem dazu da, das Bild von Weißen Menschen als White Savior zu unterstützen und zu verfestigen. Im Weißen Narrativ von transracial Adoption stehen die Weißen Menschen im Globalen Norden (privilegierte Welt) als Retter*innen gegenüber den Nicht – Weißen Menschen im Globalen Süden (deprivilegierte Welt) dar. Durch die Adoption wurde das Nicht-Weiße Baby oder Kleinkind aus einer unzumutbaren Umgebung befreit und ihm*ihr jetzt ein glückliches und besseres Leben ermöglicht und eine Familie hier konnte sich jetzt den lebenslangen Traum und Wunsch eines Kindes erfüllen. Im Weißen Narrativ wird auch immer wieder hervorgehoben, wie viel besser es das Kind jetzt hat und Herkunftsland und das Hier werden gegeneinander aufgewogen. Typische Weiße Narrative meiner Kindheit und Jugend dazu sind: „Wenn wir dich nicht geholt hätten, dann…“ oder „Wer weiß, wo du jetzt wärst, wenn wir nicht…“ oder „Irgendwann wirst du verstehen, was deine Eltern für dich getan haben…“ oder „Hätten wir dich nicht adoptiert, hätten deine Verwandten nicht [xyz tun können]“. #whitesaviorismonitsfinest

White Supremacy im Weißen Narrativ von transracial Adoption

Das Weiße Narrativ wird nicht nur von Weißen Menschen erzählt. Im Globalen Süden ist es ein offenes Geheimnis, dass es Kinder in den Ländern des Globalen Nordens besser haben, und zwar nicht nur, weil die Bevölkerung in diesen Ländern mehr Reichtum hat, sondern vor allem, weil diese Länder besser sind. Anstatt Kinder also national oder innerhalb des Globalen Südens von reiche(re)n Bi_PoC adoptieren zu lassen, fliegt mensch lieber Weiße Menschen des Globen Nordens ein, die das Kind dann an Familien im Globalen Norden geben, obwohl wohlhabende oder auch einfach nicht arme Familien im Globalen Süden, den Kindern ebenfalls eine gute Schulbildung, Essen, medizinische Versorgung und ähnliches vermitteln könnten. Aber das reicht nicht, denn die Schulbildung, das Essen und die medizinische Versorgung sind nicht gut genug, gemessen an europäischen/nordamerikanischen/ australischen Standards. White Entitlement spielt dabei auch eine Rolle. Beispielsweise dabei, dass Weiße Non-Adoptees und Familienmitglieder meinen, bestimmen zu können, wie schwer unsere Adoptionen wiegen und wie wir damit umzugehen zu haben, worüber wir uns zu freuen haben und wie wir darüber denken sollten. Aber auch das selbstgegebene Anrecht auf eine Familie mit Kind(ern), bekommt bei Adoptionen nochmal einen anderen Touch. So passiert es häufiger als gedacht, dass leibliche Familien überzeugt werden, ihre Kinder an Weiße Menschen abzutreten, da das Kind es bei ihnen besser habe. Auf White Supremacy und Entitlement im Kontext von (meiner) Adoption werde ich noch eingehen. Typische Narrative meiner Kindheit und Jugend dazu sind: „Ich wollte schon immer ein Schwarzes Baby“ (White Entitlement) oder  „Es ist schön, dass sich dein Leben zum Besseren gewendet hat“ (White Supremacy) oder „Sei froh, dass du überhaupt zur Schule gehen kannst“ (White Entitlement) oder „Die Kinder in Afrika hungern“ (White Supremacy).

Weiße Sichtweisen im Weißen Narrativ von transracial Adoption

Mit den oben genannten Whiteness-Aspekten geht natürlich auch eine Weiße Sichtweise einher, die das Ganze stützt. Weiße Sichtweisen auf den Globalen Süden sind (oft) mit rassistischen Narrativen und rassistischer Sprache verbunden. Das kommt gerade dann zum Vorschein, wenn es darum geht, sich oder dem*der Adoptee Fragen zu beantworten, auf die mensch keine Antwort weiß. Sätze wie „Wer weiß, wo du jetzt wärst, wenn“ und „Wenn wir dich nicht geholt hätten, dann…“ enden oftmals mit einem Beispiel, das der Weißen Vorstellung des Globalen Südens aber nicht unbedingt der Wahrheit entspricht. Auch durch rassistische Sprache wird ein weitgehend negatives Bild vom Herkunftsland und utopisch positives Bild von dem „Hier“ vermittelt. Typische Narrative/Begriffe meiner Kindheit und Jugend dazu sind: „Busch“ oder „Dr*tte Welt“ oder „sehr arm“ oder „Besch*eidung“ oder gewaltvolles und mittelloses Aufwachsen, Überforderung meiner Herkunftsfamilie, Verhungern meinerseits, geringe Lebensqualität und vieles mehr.

Das Weiße Narrativ ist rassistisch und gewaltvoll, weil es darauf abzielt, Weiße Menschen und den Globalen Norden über den Rest der Welt zu erheben und nicht zuletzt, sich selbst als White Savior zu profilieren. Es ist nicht einmal bewusst, aber dennoch, wie wir gelernt haben, die Welt und Weiße Menschen darin zu sehen.

Familien: Do.the.work

Bi_PoC-Adoptees: Vielleicht kann der*die Eine oder Andere von euch, sich mit ein paar Aspekten des Narrativs identifizieren. Ich kann nur sagen: Erzählt eure Adoptionsstory und eure Sichtweise selbst. Letztlich ist das eigene Adoptee-Narrativ das, worum es wirklich geht.

Mein Körper erinnert sich an das Trauma meiner Entwurzelung und Integration

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Triggerwarnung: Adoptionstrauma

Ich bin mit ungefähr neun Monaten aus Gambia ausgereist. Ich habe schon mal in diesem Blog angesprochen, dass meine Adoption und meine Integration hier in Deutschland für mich sehr traumatisch waren und mir schon immer – auch als Kind – auf ganz seltsame Art und Weise bewusst war, dass ich etwas in Gambia zurückgelassen hatte. Diesen Zustand der Entwurzelung hatte ich sehr lange als Kind und auch bis in meine Jugend hinein. Ich hatte oft Albträume, in denen ich leibliche Verwandte – hauptsächlich meine leibliche Mutter – verlor sowie Panikattacken, weil ich Angst hatte, dass ich meine Tante und meine restlichen Verwandten nie wiedersehen würde. Jahrelang habe ich darauf bestanden, wieder zurückzufliegen.

Als ich Gambia zum zweiten Mal in meinem Leben verließ, habe ich plötzlich schrecklich angefangen zu weinen, obwohl es mir bei den Verabschiedungen von meinen leiblichen Familienmitgliedern gut ging. Sobald das Flugzeug den gambischen Boden verlassen hatte und ich die Lichter von Serekunda und Banjul unter mir sah, hat sich plötzlich ein ganz schreckliches Gefühl in mir breit gemacht. In dem Moment konnte ich nicht sagen oder einordnen, was passierte und mich so mitnahm. Ich wusste doch, dass ich wieder zurückfliegen kann. Ich habe mich trotzdem gefühlt, als würde ich mein Zuhause verlassen – widerwillig und auf unbestimmte Zeit. Als würde ich gezwungen und wüsste nicht, was mich dann am anderen Ende erwartet – obwohl, ich hier Dinge und Personen habe, auf die ich mich gefreut habe. Es war grauenhaft.

Dann kamen die Corona-Einschränkungen und ich war im Home Office und es hat mich in eine regelrechte (Identitäts-) Krise verschlagen. Ich habe mein Zimmer nicht so viel verlassen, habe wenig gegessen, hatte Heulkrämpfe und Panikattacken, konnte nachts nicht schlafen und war ständig weit nach Mitternacht spazieren. Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass ich nicht hier sein sollte. Es hat sich falsch angefühlt, dass ich hier bin und der Rest meiner Familie nicht. Ich habe mich plötzlich entwurzelt gefühlt, fehl am Platz, nirgendwo zugehörig und einfach falsch. Zwanghaft habe ich gepuzzelt und gepuzzelt – mehrmals dasselbe Puzzle, als könnte ich so mein Leben irgendwie wieder zusammenstecken. (Ich mache das immer, wenn mich etwas sehr erschüttert: Ich puzzle etwas zusammen.) Ich habe die Küchenutensilien neu geordnet. Am liebsten hätte ich sofort meine Sachen gepackt und den nächsten Flug gebucht, um wieder zurückzufliegen. Ich würde die Sprachen einfach lernen, mir einen Job suchen und einfach dorthin zurückgehen.  

Aus meinem heutigen Blickwinkel und meinem heutigen Wissen würde ich sagen, dass dieses Gefühl beim Abheben des Flugzeugs Entwurzelung war und der Zustand, in dem ich mich befand, Retraumatisierung. Ich bemerke eine ähnliche Retraumatisierung in vielen Situationen in meinem Leben, wenn ich Panikattacken habe oder vollkommen irrationale Angstzustände. Auch wenn es meist unterschwellig ist, weiß ich, dass mein Körper sich an das Trauma meiner Entwurzelung und Integration erinnert.

Wir sind keine Projekte für und kein Investment in das moralische Ego Weißer Menschen

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Die Art und Weise, auf die Weiße Menschen als Kollektiv uns entmenschlichen und uns mit ihrem White Savior – Komplex zu ihren persönlichen Projekten machen, macht mich wütend, es macht mich traurig und auf eine bestimmte Art ekelt es mich auch an. Es geht nicht nur um den perversen Afrikaporno, den wir ständig auf UNICEF Plakaten und Werbungen zu sehen bekommen und der Bi_PoC weltweit zu einem Investment macht, damit Weiße Menschen sich abends, bevor sie ins Bett gehen, sagen können, dass sie unsere Leben neu bilden und neu bauen, dass sie unsere Leben besser machen. Es geht um die subtile und auch direkte Art, die uns vermitteln soll, dass wir ohne Weiße Menschen ein schlechteres, tristeres und wertloseres bis gar kein Leben gehabt hätten. Es ist essenziell für die Erhaltung von White Supremacy und White Entitlement/Berechtigung, dass Weiße Menschen sich uns gegenüber als Retter aufspielen können.

White Saviorism kennt keine endenden Dimensionen und er ist so dehumanisierend, so schädigend und so gewaltvoll. Er begegnet mir jeden Tag überall. Es sind die Adoptionsvermittlungsstellen, die schon allein mit ihrem Namen Eltern damit anziehen, dass sie Weiße Retter*innen sein können, als hätten sie mit einer Adoption den ganzen Kontinent aus der Misere geholt. Es sind die FSJler*innen, die auf ihrem Instagram Feed Fotos posten, auf denen sie mit den armen, aber doch so glücklichen Schwarzen Kindern in der Kamera posieren, aber kein einziges Bild von dem weltrettenden Brunnen zu sehen ist, den sie so eigenhändig gebaut haben. Es sind die Arbeitgeber*innen, die mir sagen, dass sie sich freuen, dass sich durch meine Adoption mein Leben zum Besseren gewendet hat. Es sind die Bekannt*innen, die meinen Eltern und mir sagen, dass ich schon irgendwann verstehen werde, was sie für mich getan haben. Es sind die Familienmitglieder, die mich sogar als psychisch labil darstellen und mir ja so dringend helfen wollen, um mich aus der Rassismusmisere zu befreien. Das alles und mehr ist White Saviorism und es ist gewaltvoll!!!

Die Obsession Weißer Menschen, unsere Leben, unsere Körper, unseren Ton, unser Essen, unser Aussehen und unsere Existen zu dirigieren und zu verbessern, steht mir echt bis sonst wo. White people, ihr habt wichtigere Dinge zu tun: Zum Beispiel das System abzubauen, dass eure Vorfahren so sorgfältig für euch aufgebaut haben und das ihr jeden Tag stützt, dessen Privilegien ihr beschützt und verteidigt wie euren Augapfel (mehr noch, wage ich zu behaupten). Jedes Mal, wenn wir Debatten über Rassismus führen, debattieren wir in Wahrheit die Menschlichkeit Weißer Menschen und die Anerkennung derselben Menschlichkeit in Bi_PoC. White Saviorism ist einer der Faktoren, die Black People of Color, Indigenous People of Color und People Color diese Menschlichkeit einfach nehmen.

Bis zum nächsten Mal!

Elli